Europa in Westfalen entdeckt: Europastadt Castrop-Rauxel überraschte die Besucher

Wenn nahezu dreiviertel der Menschen einer Stadt sich zu 96 Prozent für ein vereintes Europas aussprechen, dann darf sich diese mit Recht „Europastadt“ nennen. Bürgermeister Raiko Kravanja aus Castrop-Rauxel blickte mit Stolz beim Empfang der engagierten Europäer aus dem Kreis Steinfurt im Sitzungssaal seines Rathauses auf diese legendäre...

Überrascht von der Europastadt Castrop-Rauxel und dem herzlichen Empfang durch Bürgermeister Raiko Kravanja und Baurätin Bettina Lenort (m.) waren die Teilnehmer der „Spurensuche in Westfalen“ der Europa-Union Steinfurt. Das Foto zeigt Gastgeber und Gäste auf dem vom dänischen Stararchitekten Arne Jacobsen entworfenen Europaplatz und vor Teilen des ebenfalls aus seiner Feder stammenden Gebäudeensembles.

Dr. Anna Blumberg führte mit großem Fachwissen durch die kostbare Kirche des ehemaligen Prämonstratenser Klosters.

Kreis Steinfurt.  Wenn nahezu dreiviertel der Menschen einer Stadt sich zu 96 Prozent für ein vereintes Europas aussprechen, dann darf sich diese mit Recht „Europastadt“ nennen. Bürgermeister Raiko Kravanja aus Castrop-Rauxel blickte mit Stolz beim Empfang der engagierten Europäer aus dem Kreis Steinfurt im Sitzungssaal seines Rathauses auf diese legendäre Entscheidung seiner Mitbürger am 16. Juli 1950 und auf die offizielle Auszeichnung als Europastadt durch den Europarat 1962 zurück. Eine weitere Besonderheit Castrop-Rauxel ist es, die überhaupt erste europäische Städtepartnerschaft schon 1949 mit Wakefield in England geschlossen zu haben. Mehr noch, dieses frühe Bekenntnis Castrop-Rauxels zu Europa führte 1962 zu der Entscheidung, eine neue Stadtmitte der mehrpoligen Stadt mit europäischem Bezug zu schaffen. „Eine Trutzburg der Demokratie“, wie der Bürgermeister sie nannte.

Rund um den Europaplatz entwickelte der dänische Stararchitekt Arne Jacobsen diese Stadtmitte aus Rathaus, Stadt- und Europahalle. Was er plante, wurde schwungvoll und sachlich schön. Für das Castrop-Rauxeler Forum ließ er sich Dächer einfallen, die an Pylonen hängen. Die „Sprungschanzen“, wie man sie bald im Ruhrgebiet nannte, sind bis heute ein Hingucker. Jacobsen stellte das langgezogene, feingegliederte und architektonisch offen gestaltete Verwaltungsgebäude an die Nordseite des Platzes. Der davon abgesetzte, unter einem hängenden Dach befindliche Ratssaal lässt die Besucher von einer Empore auf die „Obrigkeit“ herabschauen. Dem gegenüber sind die gesellschaftlich-kulturellen Einrichtungen mit Stadt- und Europahalle gestellt, die mit ihrer ausgeklügelten Technik allen Bürger/innen ein Angebot an kultureller und gesellschaftlicher Teilhabe bieten sollen. Baurätin Bettina Lenort und Dr. Oliver Karnau von der Denkmalpflege des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe gaben in Vorträgen und in einer anschließenden Führung durch das gesamte Gebäudeensemble tief Einblicke in das Gedankengut des Architekten und in die heutigen Aufgaben für die damals gewählte Architektur. Denn gesellschaftliche und städtebauliche Entwicklungen sowie klimapolitisch notwendige Maßnahmen erfordern unter finanziell begrenzten Möglichkeiten eine Anpassung oder Ergänzung an die heutige Zeit.

Und genau darin sieht Bürgermeister Raiko Kravanja, der aktuell wie seine Mitbürger/innen schon 1950 ein Mehr an Europa für dringend erforderlich hält, auch eine Gefahr für die Demokratie. Es gelte, die Bürger/innen auf dem Weg in die Zukunft  nicht zu verlieren, auch wenn nicht alle Wünsche gleichzeitig zu erfüllen seien.

Dass Europa in Castrop-Rauxel gelebt wird, zeigt auch die derzeit im Ratsfoyer gezeigte Ausstellung „Lyric of Europe“ mit Gedichten von 27 europäischer Poetinnen und Poeten oder das am 13. August gefeierte Europa-Stadtfest mit Angeboten europäischer Organisationen und Initiativen sowie einem attraktiven Bühnenprogramm.

Schloss Cappenberg

Kontrastierend zur Europastadt Castrop-Rauxel bot Dr. Oliver Karnau den Fahrtteilnehmern das Schloss Cappenberg an. Dr. Anna Blumberg führte die Gäste aus dem Kreis Steinfurt mit großem Fachwissen in der Kirche des Schlosses in die Geschichte des früheren Prämonstratenser Klosters ein. Die Ordensleute bauten sich von Cappenberg aus ein Netzwerk enormere Größe auf. Es waren Hunderte von Niederlassungen, verteilt über den Kontinent von Portugal bis ins Baltikum. Von hier aus betrieb der Orden die Christianisierung der Stämme jenseits von Elbe und Oder. Aus aller Welt brachte der große Forschungsreisende Alexander von Humboldt Samen und Setzlinge mit. Im Schlosspark wuchsen fortan Pflanzen, wie sie in Westfalen noch nie jemand gesehen hatte.

Immer wieder überraschten und begeisterten die hier zu findenden Bezüge zu Europa die Besucher, so dass die Europa-Union Steinfurt, wie deren Vorsitzende Dr. Angelika Kordfelder versichert, die „Spurensuche in Westfalen“ fortsetzen werde. Überraschend wie die Zieleorte in diesem Jahr, werden auch  die ins Auge gefassten für 2023 sein. Im Musiktheater Gelsenkirchen, auf der alten Glückauf-Kampfbahn und in dem Renaissanceschloss Horst will man dann die europäischen Verbindungen erkunden. Interessierte können sich schon jetzt in der Geschäftsstelle der Europa-Union Steinfurt melden, Tel. 02551/692161 oder unter Mail: europa-union(at)kreis-steinfurt.de